Gastbeitrag von Ruth Tröster

Burnout können nur Personen bekommen? Falsch!

Ausgangsbedingung und Verlauf des Burnouts bei einer Organisation gleicht denen bei Personen. Es ist nur so, dass der Blick darauf bisher vorwiegend aus psychologischer Perspektive kam. Ein Bild von einem Haus, das durch Feuer ausbrennt, passt überhaupt nicht zu Burnout. Deswegen habe ich das Phänomen aus 7 unterschiedlichen Fachrichtungen so ausgeleuchtet, dass mir durch diese holistische Perspektive kein einziger Aspekt verborgen bleibt und Zusammenhänge sichtbar werden.

Psychologen fanden, dass Leistungswille, Leistungsbereitschaft, die Ansprüche an sich selbst und an die Qualität der eigenen Arbeit –als „lodernde, zehrende Flamme“ – viel zu überzogen wären. Selbst die große Masse an betroffenen Menschen machte da noch niemanden stutzig. Also wurden etwa ein Viertel aller Erwerbstätigen (das sind immerhin ca. 10 Mio. Menschen!) dazu angehalten, ihre Antreiber bzw. ihre Werte zu hinterfragen und verstärkt auf ihre Work-Life-Balance zu achten.

Überdurchschnittliches Engagement für die Arbeit – in einem derartigen Ausmaß – zu einem persönlichen Risikofaktor zu erklären, hatte natürlich auch entsprechend massive Änderungen zur Folge. Schließlich wurden Betroffene heftigst dafür kritisiert, eigene Grenzen nicht zu kennen. So mussten neue Prioritätensetzungen her. Denn bei Burnout spielen Begrenzungen und Limits tatsächlich eine sehr große Rolle. Aber eben nicht nur die eigenen, sondern auch die von außen (1): Wachstum, das an ein Limit stößt und trotzdem noch forciert wird, kehrt sich in Verfall um.

Bei aufgabenorientierter Führung, die auf zentralistische Steuerung und Kontrolle setzt, lässt sich Arbeitnehmern kein Vorwurf machen, wenn sie nun auf Engagement als ein freiwillig eingebrachtes „Add-on“ verzichten. Inzwischen zeigt sich, was und wieviel da genau wegfällt, wenn – mit der nötigen Distanzierung von der Arbeit – „nur“ noch ein „Dienst nach Vorschrift“ übrig bleibt.

Produktivitätssteigerungen, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit haben jedenfalls sehr unter der Privatisierung des Problems Burnout gelitten, seit dem ausgerechnet solche Antreiber (Werte) mit einem „Dachschaden“ in Verbindung gebracht wurden: sei schnell, sei perfekt, sei stark, streng dich an, mach es allen recht. Von Kundenseite werden solche Verhaltensweisen jetzt sehr wohl vermisst.

Denn ebenso wie beim individuellen, entstehen die Probleme beim organisationalen Burnout nicht wegen der anfänglich vorhandenen intrinsischen (2) Motivation – als Synonym für ‚burn‘. Die Probleme kommen dann, wenn diese Motivation weg ist. Welchen Unterschied die Motivation macht – eben auch bei der Rendite – wurde von Jim Collins (3) ganz hervorragend heraus gearbeitet: Die Take-off-Unternehmen mit eindeutig intrinsischen Motiven haben 6,9-fachen Vorsprung – im Durchschnitt.

Erlischt diese innere Flamme, wird es so „düster und kalt“, dass auch Motivation von außen da nichts mehr ausrichten kann. Erst recht bei Organisationen, die zu ihrer Existenz einen Zweck brauchen. So ein Zweck lässt sich nicht einsparen: Organisationen, die keiner Sache mehr dienen und zwar so, dass solcher Dienst eine Belohnung verdient, weihen sich selbst ihrem Untergang.

Deswegen endet nur der Burnout einer Organisation letal – und nicht auch der eines Menschen.

Fußnoten

1 Was nun auch die neuere Burnout-Forschung ganz vorsichtig einräumt. Die Vorsicht ist verständlich, denn solche Tabu-Themen zu hart anzugehen, kann leider sehr schnell die Karriere kosten.
2 Gemäß dem Ort der Entstehung dieser Motivation, bedeutet ‚in-trinsisch‘ von innen kommend. Der Gegenpol dazu ist extrinsische Motivation, die auf Handlungsanreize von außen reagiert.
3 2001, „Good to Great. Why some companies make the leap … and others don’t“, London: Random House.

Autorenkurzbeschreibung Ruth Tröster:

Wer: Buch- und internationale Fachautorin, Burn-on-Expertin, Diplom-Geographin: Sozial- und Wirtschaftsgeographie, Jahrgang 64, aus München, verheiratet.

Was: fab art unternehmensgestaltung: www.fab-rt.de.
„The art of being fabulous“ hängt auch von Rahmenbedingungen ab. Die lassen sich wirtschaftlich, systemisch, kybernetisch und sozial so gestalten, dass sie optimal und rundum gesund sind.

Wie: Hochbegabung in Mustererkennung: interdisziplinär, systemisch, vernetzt, holistisch.

Wohin: Burnout-freie Arbeitswelten.