Im iMooX-Kurs „Lernen im Netz“ ging es letzte Woche um Lerntheorien. Den Teilnehmern wurden vier Lerntheorien vorgestellt, der Behaviorismus, der Kognitivismus, der Konstruktivismus und der Konnektivismus. In der Darstellung im Kurs wurde das Ganze allerdings etwas zu sehr als Entwicklung dargestellt, wie es aus meiner Sicht eben nicht der Fall ist. Ich würde zwar den Behaviorismus und den Kognitivismus noch in einem historischen Zusammenhang als Lerntheorien sehen, allerdings erkenne ich beim Konstruktivismus und dem Konnektivismus diese logische Folge nicht mehr. Aber gut. Lerntheorien und eLearning – das ist immer eine spannende Fragestellung!

Lerntheorien und eLearning

Im Rahmen des iMooX-Kurses gab es zum Thema „Lerntheoriendrei Aufgabenstellungen, die dann im Forum zu beantworten waren. Die erste Aufgabenstellung war: „Suchen Sie nach kritischen Meinungen zu den vier genannten Lerntheorien und nennen Sie zu jeder Lerntheorie fünf Kritikpunkte.“  Ich habe das folgendermaßen beantwortet: (die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Wichtigkeit)

Behaviorismus

  • Black Box wird einfach angenommen und hingenommen
  • Lernenden können keine echten Fragen stellen
  • Der Lernprozess wird nicht thematisiert
  • Es gibt ein richtiges Ergebnis
  • Es wird eine objektive und für alle gleiche Realität angenommen

Kognitivismus

  • Lernprozess wird vorgegeben
  • Einseitige Konzentration auf den Informationsverarbeitungsprozess
  • Computer als Modell
  • Man kann nicht wirklich bzw. niemals ganz in ein Gehirn hineinschauen
  • Es wird eine objektive und für alle gleiche Realität angenommen

Konstruktivismus

  • Viele Lehrende sind damit überfordert
  • Lernende müssen selbst Fragen stellen und Probleme generieren
  • Lernende sind mit der Selbsttätigkeit und Selbstverantwortung überfordert
  • „Der Konstruktivismus unterschätzt die vorhandene äußere Realität“
  • „Der Konstruktivismus ist zu Subjektivistisch“

Konnektivismus

  • Konnektivismus ist keine Lerntheorie , sondern lediglich eine pädagogische Sicht auf Bildung
  • Die existierenden Lerntheorien sind ausreichend
  • Nimmt vorhergehende Arbeiten, wie „communities of practice“ nicht auf
  • Gibt es Wissen außerhalb der Köpfe?
  • Die Illusion man müsse nichts mehr selbst wissen

Die zweite Aufgabenstellung war: „Überlegen Sie für sich, welche Lerntheorie Ihrer Lernpraxis am ehesten entspricht und begründen Sie Ihre Meinung.“ Ich habe dann gleich einmal die Hosen runtergelassen und über einen Teilausschnitt meiner Lernbiographie erzählt.

Ich wurde früh durch den Konstruktivismus geprägt, einerseits direkt durch Ernst von Glasersfeld, Heinz von Foerster und Paul Watzlawick, andererseits durch meine Ausbildung in den Bereichen Organisationsentwicklung und Organisationales Lernen sowie diversen Erfahrungen und „echten Schockerlebnissen“ in meiner (frühen) Praxis. Mir hat der Konstruktivismus geholfen, andere Menschen besser zu verstehen und leichter zu akzeptieren.

Lerntheorien und elearning in der Praxis? In meiner Arbeit als Lehrender (Universitätslehrer und Managementtrainer) hatte ich u.a. das Glück bereits früh mit Peter Baumgartner (damals waren wir beide an der Universität Klagenfurt) zu tun zu haben, von dem ich vieles lernen konnte und der vieles von dem bestätigte, was ich mir als sehr junger Mensch so dachte. Dazu kam meine bereits genannte Beschäftigung mit dem Konstruktivismus (und insbesondere seinen österreichischen Vertretern), den ich anfangs interessant und witzig fand, aber eigentlich eher negieren wollte. Erst als andere begonnen haben, mich als Konstruktivisten zu bezeichnen und mich etwa mit Heinz von Foerster in Verbindung zu bringen, habe ich mehr und mehr begonnen, darüber nachzudenken.

Meine anfängliche Skepsis lag wohl auch daran, dass ich mit dem Begriff „Konstruktivismus“ nicht sehr glücklich war, weil ich geprägt durch Friedrich von Hayek gegen den „Konstruktivismus“ im Sinne einer Anmaßung der Vernunft und als Grundlage totalitärer System war.  Das gleiche Wort hat jeweils ganz unterschiedliche Bedeutungen, dennoch hat es gedauert, bis ich das in meinem Kopf so akzeptieren konnte bzw. damit gut umgehen konnte.

Die dritte Aufgabenstellung  war: „Wenn Sie morgen Unterricht planen müssten, welcher Lerntheorie würden Sie folgen und warum?“

Heute kann ich sagen, dass meine Auffassung von Lehren und meine Art zu Lehren jedenfalls konstruktivistisch sind. Das heißt aber nicht, dass ich andere Lerntheorien ablehne oder nicht auch einmal anwende. Somit verfolge ich in meiner Unterrichtsplanung grundsätzlich eine konstruktivistische Lerntheorie.

Mein Fazit zu Lerntheorien und eLearning

Logisch richtiges Denken wird in der heutigen Zeit noch wichtiger, als es früher war. Die hohe Komplexität und Dynamik machen uns ansonsten relativ rasch handlungsunfähig oder wirkungslos. Ein Freund und ehemaliger Kollege an der Universität ist Historiker und sagt immer wieder: „Man darf im Blick auf die Geschichte nicht unfair sein und mit unserem Wissen von heute auf Karl den Großen schauen und seine Entscheidungen und Handlungen bewerten.“ Er sagt das noch pathetischer, aber sinngemäß sagt er es so. Ich denke, das gilt auch auf Lerntheorien wie den Behaviorismus und den Kognitivismus. Ich hatte das Vergnügen kürzlich  mit einer jungen Wissenschafterin über dieses Thema zu sprechen. Am Ende meinte sie, „… jetzt ist mir alles klar, Danke!“. Leider wird da auch in der Wissenschaft nicht immer sauber gearbeitet und zwischen Wissen und Meinung oft nicht klar unterschieden. Das hat Wolfgang Brezinka für die Pädagogik aber bereits vor über 40 Jahren thematisiert…

Zu den Aufgabenstellungen ist zu sagen, dass die Online Community leider noch nicht funktioniert. Das Erfahrungsorientierte Lernen (EOL) wird erst ansatzweise gefördert, aber doch.

Ich freue mich schon auf die nächste Woche mit dem Thema „Lernmedien“.

Hedwig Seipel hat angeregt, dass wir zur besseren Verlinkung und Sammlung der verschiedenen Beiträge das Hashtag #iMooX verwenden. Das mache ich sehr gerne! Zugleich möchte ich auf ihren sehr lesenswerten Blog verweisen, wo sie auch einen Blogroll zum Thema #iMooX eingerichtet hat. *[Anmerkung am Ende des Beitrags]

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Selbstorganisation und Eigendynamik im eLearning

Metalernen bzw. Deutero-Learning – von der Lernenden Organisation bis zum MOOC

Kann Tutoring die Qualität von eLearning verbessern?

eLearning in Kärnten

Hayek, Wissensteilung und Wissensmanagement

Anmerkung zu Hedwig Seipel

Hedwig Seipel ist leider verstorben. Somit wurde Ihr Blog gelöscht. Aus diesem Grund gibt es auch keinen Link mehr zu Ihrem angeführten Blogbeitrag. Das Weiterbildungsportal managerseminare.de hat einen Nachruf auf Hedwig verfasst.