„Laissez-faire“ ein Führungsstil?

Ist „Laissez-faire“ ein Führungsstil? Das ist ein Thema das mich immer wieder einholt und wo ich immer schneller und sensibler mit ernsten Worten reagiere. Erst vor kurzem wurde ich wieder auf das Thema angesprochen und da wollte mir ein guter Freund die Vorzüge dieses vermeintlichen Führungsstils erklären. Und schon vorab: Laissez-faire ist kein Führungsstil!

An sich bin ich ein guter Zuhörer, aber da konnte ich nicht anders und musste ihn unterbrechen, was ansonsten nicht meine Art ist. Auch die Frage, warum es dann teilweise in der Literatur zu finden sei oder auf Seminaren so vorgetragen werde, konnte ich nur sagen, dass es vor Unsinn und Wahnsinn an sich (leider) keinen Schutz gibt.

„Laissez-faire“ in der Führungsliteratur

Es ist so, dass „Laissez-faire“ eben „Nicht-führen“ bedeutet und somit kann es logischer Weise kein eigener Führungsstil sein. Doch wie kam „Laissez-faire“ dann in die Führungsliteratur?

Dafür müssen wir in die Jahre 1938-1940 zurückgehen. Da hat Kurt Lewin mit seinen Mitarbeitern an der Child Welfare Research Station der Iowa University Elementary School verschiedene Experimente mit Schülern im Alter von zehn bis elf Jahren durchgeführt. Das Ziel war, dadurch die Auswirkungen von unterschiedlichem Führungsverhalten auf das Verhalten von Individuen und von Gruppen zu untersuchen bzw. zu beobachten. Wolfgang Staehle (1938-1992) schreibt in seinem Standardwerk „Management“ in der 5. Auflage (1990), dass der Anlass und die Intention der Untersuchungen in der Person Kurt Lewins zu suchen seien. Wenn man seine Biographie kenne, sei relativ klar, warum es dieses Untersuchungsdesign war. Lewin ging nach Staehle davon aus, dass die Gegensätze eines damals autoritären Erziehungssystems in Deutschland und eines demokratischen Erziehungssystems in den USA zu den jeweiligen Gesinnungen in der Bevölkerung beigetragen habe.

Nun muss man über das eigentliche Forschungsdesign nicht mehr sagen, als dass sich Schüler in Fünfergruppen nach der Schule zur Freizeitgestaltung trafen, um Theatermasken zu basteln. In einem bestimmten Rotationsverfahren wurden sie einem autoritär oder einem demokratisch agierenden Gruppenleiter (Erwachsener) ausgesetzt.

Der „Laissez-faire“ Führungsstil war klarerweise im Forschungsdesign nicht vorgesehen. Er entstand zufällig, weil einer der demokratischen Führer die Kontrolle über seine Gruppe verloren hat. Er erhielt dann den Auftrag, die Gruppe einfach laufen zu lassen. Der „Laissez-faire“ Führungsstil wird später nicht mehr ausgewertet, da es sich ja nicht um einen Beeinflussungsversuch im Sinne von Führung handelt.

Wichtig ist: Die mit dem „Laissez-faire-Führer“ „arbeitende Gruppe zeigte, was Aufgabeninteresse, Gruppenkohäsion und Zufriedenheit anbetraf, die schlechtesten Resultate.“ (Staehle 1990, S. 315) Das war ein beiläufiges und zufälliges Nebenergebnis der eigentlichen Studie, in der es auch nicht um den Zusammenhang von Führungs- und Leistungsverhalten ging, sondern um die Auswirkungen des unterschiedlichen Führungsverhaltens auf aggressives und feindseliges Verhalten von Kindern zu untersuchen.

„Laissez-faire“ und Führungspraxis

Ob man nun eher demokratisch oder eher autoritär führen soll hängt aus meiner Sicht von zwei Faktoren ab. Von der eigenen Persönlichkeit und von der Gruppe die man führt bzw. von der Situation in der sich diese Gruppe befindet. Spätere Studien haben zudem gezeigt, dass es „den optimalen Führungsstil“ für alle Situationen nicht gibt!

Alle jene, die dann einwenden, warum Kurt Lewin dann extra den Begriff „Laissez-faire“ erfunden hat, wo es doch kein eigener Führungsstil ist, kann ich noch sagen, dass er den Begriff nicht erfunden hat, sondern aus einem anderen Kontext, nämlich der Nationalökonomie entlehnt hat. Hier müssen wir in das frühe 18. Jahrhundert zurückgehen, wo sich der Begriff Schritt für Schritt im Dienste der wirtschaftlichen und somit auch gesellschaftlichen Freiheit entwickelte. Hier macht „Laissez-faire“ grundsätzlich auch Sinn, wie etwa der große Denker und Nationalökonom Friedrich von Hayek anschaulich und leicht nachvollziehbar darstellt. In der Führung hat der Begriff nichts verloren, auch wenn es manchmal sicherlich gut gemeint ist. Doch „gut gemeint“ ist oft das Gegenteilt von „gut“!

Wirklich gut, ist das was Peter Drucker zum Thema geschrieben hat! Laissez-faire ist kein Führungsstil!

Literatur

Staehle, W.: Managaement, 1990.

Blogbeitrag über Friedrich von Hayek